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Die Mistel wurde schon seit langer Zeit für die Herstellung von Heilmitteln benutzt, es ist also nicht verwunderlich, dass sich eine Reihe interessanter Inhaltsstoffe in ihr finden. Es lassen sich Alkaliode, Flavonoide, Phenylpropane, Lignine, Lignane, Polysaccharide und am wichtigsten für Medizin und Pharmazie, Lektine und Viscotoxine finden. Um bei einem sinnvollen Rahmen zu bleiben, werde ich mich im Folgenden auf die genauere Auseinandersetzung mit Lektinen und Viscotoxinen beschränken und die anderen Inhaltsstoffe nicht weiter behandeln. |
Lektine sind zuckerhaltige Eiweiße. Sie kommen vor allem im Zentrum einer Mistel vor. Es gibt 3 verschiedene Gruppen von spezifischen Mistellektinen. Mistellektin l, ll & lll. Die Menge und Art der Lektine hängt von dem jeweiligen Wirtsbaum und den Jahreszeiten ab. Im Winter liegt grundsätzlich mehr Lektin vor, als in den anderen Jahreszeiten. Mistellektine wirken zytostastatisch und zytotoxisch, das heißt sie können das Wachstum und die Zellteilung hemmen oder Zellen sogar abtöten. Außerdem beeinflussen sie das Immunsystem. Diese biologischen Funktionen erhält das Lektin durch seinen chemischen Aufbau, auf den ich jetzt aber nicht weiter eingehen möchte.
Die Viscotoxine sind der zweitwichtigste Inhaltsstoff der Mistel, sie sind jedoch bei weitem nicht so gut erforscht wie die Lektine. Es handelt sich bei ihnen um eiweißhaltige Verbindungen, die Schlangengiften in ihrem Aufbau sehr ähnlich sind. Sie haben keine Untereinheiten und enthalten keinen Zucker. Genau wie bei den Lektinen lassen sich je nach Wirt lassen unterschiedliche Anteile von Viscotoxinen in einer Mistel finden. Sie kommen zumeist in jungen Blättern, Stängeln, und blütentragenden Kurztrieben vor. Im Gegensatz zu den Lektinen erreicht ihre Konzentration im Juni/Juli ihren Höhepunkt und nicht im Winter. Die Viscotoxine können Krebszellen auflösen, indem sie deren Membran auflösen, sie sind also ebenso wie die Lektine zytotoxisch. Zudem können sie das Immunsystem modellieren. Die Toxine sind sehr hitzestabil, da sie durch drei Disulfidbrücken relativ unempfindlich gegen Denaturierung sind. Sie wirken blutdrucksenkend. Ihre Toxizität ist um einiges höher als die der Lektine, sie können deshalb Zellen sehr viel schneller töten als Lektine.
Die Mistel taucht bereits in den Berichten der vorchristlichen
Hippokratiker auf. Von Hippokrates wurde sie gegen Milzsucht empfohlen.
Außerdem galt das Pulver von Misteln als Heilmittel für viele
Frauenleiden. Auffällig ist, dass meist nur der Eichenmistel besondere
Heilkräfte zugesprochen werden. Im Mittelalter wurde die Eichenmistel
hauptsächlich als Mittel gegen Epilepsie genannt. Diese Vorstellung
stammt wahrscheinlich daher, dass Misteln auf anderen Pflanzen wuchsen
ohne runter zu fallen und dass sie dementsprechend gegen „fallende
Sucht“ helfen musste. Von Paracelsus (1493 – 1541) wurde neben der
Anwendung für Epilepsie auch eine Linderung von konvulsivem Asthma
angesprochen. Des Weiteren finden sich Anwendungsbeispiele für
Blutstillung durch Misteln, Heilung von Leberkrankheiten durch
Mistelschleim, und eine Mistelsalbe gegen angezauberte Impotenz. Die
Heilkräfte, die der Mistel zugesprochen wurden, hängen sehr dicht mit
dem Aberglauben und Brauchtum der Mistel zusammen.
In der Volksmedizin wird die Mistel auch heute noch ähnlich verwendet
wie im Mittelalter. Zusätzlich wird sie auch als Wurmmittel und gegen
Amenorrhoe und Gelenkerkrankungen eingenommen. Die Mistel wird in der
Schulmedizin nicht anerkannt, da ihre Wirkung nicht empirisch gesichert
ist. Trotzdem gibt es viele Fertigarzneien, Kombinationspräparate,
Extrakte und Teeaufgüsse, in denen die Mistel zum Einsatz kommt. Die
Mittel sollen blutdrucksenkend und krebshemmend wirken und werden außerdem als Herz- und Beruhigungsmittel genutzt.
Eine Misteltherapie kann bei jeder Tumorerkrankung angewendet werden. Sie kann auch vor oder während einer Chemo- oder Strahlentherapie erfolgen, allerdings sollten keine Präparate gespritzt werden, wenn am selben Tag eine Infusion oder Bestrahlung erfolgt ist oder erfolgen soll. Die Mistelpräparate können auch dabei helfen die Begleiterscheinungen der konventionellen Therapiewege zu lindern. Insgesamt helfen sie angeblich dabei die Lebensqualität wieder zu heben. Das am häufigsten verwendete Mistelpräparat ist Iscador.
Eine Misteltherapie gegen Krebs, ebenso wie die Anwendung von Mistelpräparaten gegen Bluthochdruck und ähnliches, werden von der Schulmedizin nicht anerkannt. Dies liegt daran, dass die Wirkungsmechanismen und Wirkstoffe nicht gut genug erforscht sind, dass die Patientengruppen zu klein sind, um Erfolge als allgemeingültig zu beschreiben und dass Tierversuche einiger Wissenschaftler keine signifikante Wirkung gegen Tumore zeigte. Vertreter der ganzheitlichen Medizin zum Beispiel konnten jedoch durchaus verlängerte Überlebenszeiten und teilweise sogar Totalremissionen beobachten. Die komplexe Wirkung der Lektine und Viscotoxine konnte nachweislich für einen besseren Allgemeinzustand der Patienten sorgen. Ihre Schmerzen konnten nachweislich gelindert werden, die Präparate konnten eine positivere Lebenshaltung herbeiführen und Patienten ein weitgehend beschwerdearmes Leben, trotz Tumor, ermöglichen. Die Diskussion ist noch lange nicht zu einem Ende gekommen und deshalb werden auch weiterhin viele Studien zur Wirksamkeit von Mistelpräparaten durchgeführt.